In den letzten Jahren wurde die Digitalisierung von Gebäuden immer mehr zum Thema. Von Menschen der Maker-Szene, die mit einem Raspberry Pi ihre Pflanzen bewässern oder Garagentore öffnen und schließen, bis zu Unternehmen, die eine große Anzahl von Aktoren und Sensoren und auch zum Teil eigene Softwarelösungen entwickeln. Dazu kommt eine große Anzahl an offenen und proprietären Kommunikationsprotokollen. Dabei haben die meisten Hersteller noch eigene Schnittstellen.

Bisher konnte noch kein Hersteller eine große Marktmacht erreichen oder sich ein Standard durchsetzen.

Digitale Gebäude oder Gebäudedigitalisierung?

Rund um die Vernetzung von Gebäuden gibt es viele Begrifflichkeiten. Zwei der wichtigsten sind „digitale Gebäude" und „Gebäudedigitalisierung". Bei INNOQ werden die Begriffe wie folgt abgegrenzt:

Digitale Gebäude sind als einzelne abgeschlossene Systeme zu betrachten, auch wenn hier und da Daten aus dem Internet abgefragt werden.

Ein Beispiel: Mittels einer Wetterprognose und aktuell gemessenen Werten wird eine Heizung gesteuert. Abhängig vom Sonnenstand werden Jalousien geschlossen oder geöffnet. Alles bleibt im Kontext eines Gebäudes. Oftmals kann hierbei alles von einem Hersteller bezogen werden.

Im Gegensatz dazu ist Gebäudedigitalisierung in einem deutlich größeren Kontext zu sehen. Gebäudedigitalisierung bedeutet die stärkere Einbindung eines Gebäudes in seine digitale Umwelt. Sieht man ein Gebäude als System, kann hier von einem System aus Systemen gesprochen werden, wobei ein System nicht immer ein Gebäude sein muss.

Ein Beispiel:
In Südkoreas Songdo City wird Müll direkt über ein Rohrleitungssystem zu einer Müllverarbeitungsanlage transportiert. Eventuell wird dieser Müll auch gewogen und die Entsorgungskosten der entsprechenden Person in Rechnung gestellt.

Wie an diesem Beispiel zu sehen, sind dort mehrere Beteiligte involviert. Eine Person, die ihren Müll entsorgt, ein Rohrleitungsnetz, das den Müll transportiert, eventuell eine Wiegestation und die Rechnungsstelle. Allein an diesem kleinen Beispiel mag sich jeder selbst überlegen, welche Daten auch personenbezogen anfallen und wie damit über den Lebenszyklus der Daten umgegangen werden muss.

Daten

Durch die zunehmende Vernetzung der Systeme nimmt das Datenvolumen mit jedem System zu. Diese Menge an Daten bereitzustellen und zu verteilen, erfordert eine entsprechende Infrastruktur, sowie Kommunikation über verschiedene Protokolle und Schnittstellen hinweg.

Ändern sich über einen Lebenszyklus die Strukturen der Daten, so muss dieses von Anfang an mitberücksichtigt werden. Entsprechende Konzepte und Strategien sind zu entwickeln, um zu vermeiden, dass alle betroffenen Komponenten gleichzeitig angepasst werden müssen. Dieses kann unter Umständen die Verfügbarkeit eines Systems oder Gesamtsystems stark beeinträchtigen.

Datenschutz

Datenschutz und Sicherheit lassen sich nicht immer klar trennen. Sowohl Hersteller von Komponenten, als auch Betreiber von Gebäudedigitalisierung sollten eine hohe Eigenmotivation besitzen, die anfallenden Daten zu schützen. Letztendlich hat bei einem Einbruch oder Systemangriff immer das betreibende Unternehmen den Schaden.

Anforderungen kommen auch von gesetzgeberischer Seite, Stichwort DSGVO: Sie hat Einfluss auf die Architektur, ein Beispiel ist das „Recht auf Vergessenwerden“ bei Eventsourcing. Primäres Verhalten von Eventsourcing ist, dass oftmals in verteilten System eingesetzt wird, daß die Events gespeichert und nicht mehr verändert werden. Es muss gewährleistet sein, dass in allen verwendeten Komponenten die Vorgaben aus der DSGVO eingehalten werden. Nur ein System, dem vertraut wird und von dem sich Benutzer einen Mehrwert versprechen, wird dauerhaft Zustimmung finden.

Sicherheit

Die in einem solchen System anfallenden Daten sind zum einem erforderlich, um die Anforderungen zu erfüllen, wecken jedoch auch in vielen Fällen Begehrlichkeiten. Sei es von staatlichen Stellen oder auch Infiltration durch Personen. Das bedeutet, Sicherheit muss grundlegend berücksichtigt werden. Sicherheit kostet (Zeit, Geld, Benutzererfahrung, …). Diese Kosten müssen es jedem Wert sein, getragen zu werden, denn die Sicherheitskette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

Ein Beispiel:
Casinos gelten allgemein als gut abgesichert. Nun stellte ein Casino ein Aquarium mit smarten Funktionen auf. Genau eine dieser Funktionen, ein Thermostat, war die Schwachstelle in der Kette, über die Hacker eindringen und eine größere Menge an Daten abgreifen konnten.

Gerade in Netzwerken mit vielen verschiedenen Komponenten unterschiedlicher Hersteller ist es wichtig, Updates und Sicherheitspatches zu managen und stets aktuell zu halten. Ebenso braucht es eine genaue Kenntnis, welche Komponenten miteinander kommunizieren, um Angreifern eine möglichst kleine Angriffsfläche zu bieten. Hierzu müssen entsprechende Richtlinien erstellt werden, die festlegen, welche Systeme/Services miteinander kommunizieren, welche Daten ausgetauscht werden, und eine Autorisierung, wer diese Daten einsehen darf. Eine Verschlüsselung des Datenaustausches darf heutzutage als selbstverständlich betrachtet werden. Allein durch den menschlichen Faktor wird es eine 100-prozentige Sicherheit nicht geben.

Ausfallsicherheit

Je größer die Anzahl der Systeme, desto größer auch die Ausfallwahrscheinlichkeit. Für jedes System und seine Aufgabe muss bewertet werden, wann, wie oft und wie lange es einen Ausfall geben darf. Der entscheidende Punkt ist, dass möglichst geringe Einschränkungen für die Benutzer entstehen.

Das Schlagwort, das dann oft fällt, ist „High Availability (HA)". Unter anderem kann die HA durch folgende Punkte erreicht werden:

Um nur einige der Punkte für Hochverfügbarkeitssysteme zu nennen. Nach dem Paretoprinzipt kann vorgegangen werden, um die Stellen zu erkennen, bei denen Maßnahmen zur Ausfallsicherheit die größte Wirkung erzielen.

Gebäudedigitalisierung von Anfang an

Was Digitalisierung von Anfang an bedeutet, kann man gut am Beispiel Tesla erkennen. Je nach Anforderung kann Tesla durch Updates das Verhalten der Fahrzeuge jederzeit ändern. Als 2017 ein Sturm vor Florida aufzog, hat Tesla den Besitzern, die sich für die kleinere Kapazitätsfreischaltung des Standardakkus entschieden hatten, per Update die zusätzliche Leistungsreserve freigeschaltet. Diese konnten somit leichter vor dem Sturm fliehen. Zukünftig werden sich Gebäude in viel stärkerem Maße als wie wir es heute kennen über Softwarefunktionen definieren, und es gehört zur Normalität, ein Gebäude-Update einzuspielen.
Software treibt die Hardware.

Bereits bei der Planung von Gebäuden muss über alle Gewerke die Digitalisierung mitgedacht werden. Es reicht nicht, sich erst bei der Elektrifizierung Gedanken zu machen. Viel mehr muss, ähnlich wie im Web, wo das Mobile-First Paradigma existiert, eine Digital-First Strategie von Planern, Herstellern, Lieferanten, Installateuren, und Betreibern getragen werden. Aus einer digitalen Gesamtperspektive heraus wird dann ein Mehrwert für die Nutzer geboten. Dieses zu unterstützen, ist Aufgabe von Building Information Modeling (BIM) Systemen.

Mehrwert

Für Immobilienbesitzer ist der Spielraum bei der Preisgestaltung der Mieten nicht mehr grenzenlos: In Deutschland und in der Schweiz existiert die Mietpreisbremse und eine Mietendeckelung in einigen Städten. Auch in weiteren Ländern gibt es derartige Diskussionen.
Daraus folgt, dass die Miete nicht mehr als die eigentliche Rendite betrachtet werden kann, also müssen neue Felder erschlossen und monetarisiert werden. Ähnliches gibt es heute schon in der Automobilindustrie. Früher wurde ein Auto verkauft und nur zur Wartung/Reparatur kam das Autohaus wieder in Kontakt mit dem Kunden. Heute werden zusätzliche Services rund um das Automobil angeboten die zu bezahlen sind, wie Verkehrsinformationen, Conciergedienste und vieles mehr. Die Autohersteller sind mittlerweile sehr kreativ. Das geht soweit, dass für Funktionen die von Kunden als selbstverständlich angesehen werden ein zusätzliches Abonnement abgeschlossen werden muss. Dieser Weg wird auch bei Gebäuden Einzug halten oder sich fortsetzen.

Übertragen auf Immobilien, könnte ein Modell wie folgt aussehen:
Mieter bekommen die Möglichkeit, die Raumtemperaturen digital einzustellen. In der Basisversion kann die Temperatur nur über einen Schieberegler eingestellt werden. In der Premiumversion, die zusätzlich zu bezahlen ist, könnten auch unter Berücksichtigung aktueller Wetterprognosen individuelle Temperaturkurven eingestellt werden.

Ein Mehrwert, für den Kunden bereit sind zu zahlen, kann nur entstehen, wenn jede Information abhängig vom Anwendungsfall überall zur Verfügung steht und Services darauf aufbauen können.

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