Transkript

Women in Tech: Anja

Feedback hilft - Immer!

„Was mir immer sehr gut geholfen hat, ist nach Feedback zu fragen. Gerne auch negatives Feedback. Wichtig ist, die Stärken daraus zu erkennen“. Bevor Anja Medieninformatik studierte, war sie Bibliotheksassistentin, hat als Freelancerin Websites entwickelt und im Webhosting-Support gearbeitet. In dieser Folge erzählt sie von ihrem alles andere als geradlinigen Weg in die IT und welche Herausforderungen sie dabei zu meistern hatte. Außerdem: warum Feedback so wichtig ist - auch wenn’s weh tut.

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Transkript

Stefanie

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des INNOQ Podcasts. Mein Name ist Stefanie und ich habe heute die wundervolle Aufgabe, euch eine meiner Kolleginnen vorzustellen, die Anja.

Anja

Hallo!

Stefanie

Schön, dass du da bist. Anja, du bist Software-Entwicklerin und Consultant bei INNOQ. Erzähl doch mal, seit wann bist du schon dabei und was machst du eigentlich so den ganzen Tag?

Anja

Ja, ich bin schon seit fast genau drei Jahren bei INNOQ. Die Zeit rennt. Den ganzen Tag, meine meiste Zeit, mein Tagesgeschäft sozusagen, ist Projektarbeit. Da entwickle ich im Backend Cloud-native Web-Anwendungen. Ich freue mich auch drauf, dass ich da so wirklich von Grund auf eine Applikation auf grüner Wiese mitbauen durfte. Das ist ganz gut. Und da bin ich aber auch für die Infrastrukturarchitektur zuständig, Plattformentwicklung und AWS, das ist der Cloud-Provider, den wir benutzen. Und das ist also alles State of the Art und macht sehr viel Spaß.

Stefanie

Infrastruktur und DevOps ist auch so ein Thema, dessen du dich angenommen hast.

Anja

Ja, genau, das stimmt. Das macht mir am meisten Spaß, aber ich bin auch tatkräftig in der Entwicklung drin. Ansonsten bin ich noch als Consultant angestellt. Ich entwickle also nicht nur und kümmere mich um Infrastruktur, sondern ich berate auch Unternehmen. Wie du schon sagtest, auch bezüglich DevOps, Infrastruktur und Delivery-Prozesse. Wie Teams gut miteinander arbeiten können, performant und daraus Software gut deployen können. Ich interessiere mich auch für Organisationsstrukturen. Das ist ein Bereich, in dem ich berate. Aber ich bin auch Trainerin für den ISAQB Advanced Level und da geht es auch um Cloud Infrastruktur. Also genau das, was ich den ganzen Tag mache, darf ich da lehren.

Stefanie

Immer, wenn ich an dich denke und auch an das Thema DevOps, dann kommen mir Einhörner in den Sinn. Du hast einmal diesen einen Podcast zusammen mit Lucas gemacht und da ging es um das Thema DevOps und Unicorns, Einhörner. Vielleicht kommen wir da später noch mal drauf zu sprechen. Wer wissen möchte, was es mit Einhörnern auf sich hat im Zusammenhang mit IT, der bleibe bitte bis zum Ende dabei. Wir lösen das nachher auf.

Anja

Super Cliffhanger.

Stefanie

Ja, genau. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, kann ich schon mal versprechen. Eine Frage, die mich eigentlich immer brennend interessiert, gerade, wenn ich mit Frauen in der IT spreche, ist die: Wie seid ihr zur IT gekommen? Weil das habe ich schon ganz oft gehört, dass es nicht über den ersten Ausbildungsweg passiert, sondern durchaus auf Umwegen. Das war bei dir ja auch so und ich glaube, man kann wirklich sagen, hätten diese Rückgabeautomaten, die es in Bibliotheken gibt, hätten die nicht ihren Einzug gehalten, dann würden wir uns heute gar nicht unterhalten.

Anja

Ich habe eine Ausbildung zur Bibliotheksassistentin gemacht. Beziehungsweise damals hieß der Beruf gar nicht mehr so, sondern der hieß ‚Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste‘. Das hört sich sehr modern an, war aber im Grunde einfach nur ein neuer Name für die Ausbildung ‚Bibliotheksassistentin‘. Und da habe ich eine Ausbildung beim Bezirksamt Mitte gemacht. Ich habe also für alle Bibliotheken in Mitte gearbeitet, immer so rotierend in den ersten zwei Jahren meiner Ausbildung und dann irgendwann in der Hauptbibliothek Vollzeit gearbeitet.

Stefanie

Und was ist denn das Spannende an dem Beruf der Bibliothekarin?

Anja

Spannend ist er gar nicht, das ist das Gute. Das war wirklich einfach eine, wie man sich vorstellt, eine sehr entspannte Arbeit. Es ist natürlich nicht so, dass man den ganzen Tag nur liest, sondern es ist so, dass man den ganzen Tag Menschen hilft. Beziehungsweise, die Hälfte des Tages hat man Thekendienst oder sortiert Bücher. Das macht man meistens, bevor die Bibliothek öffnet. Dann sortiert man Bücher ein. Aber nicht nur Bücher, sondern auch andere Medien, DVDs, CDs. Gerade in der Hauptbibliothek im Bezirk Mitte waren 50% aller Medien keine Bücher. Und da hat man eigentlich immer ein, zwei Stunden Medien einsortiert, so nennt man das. Und wenn die Bibliothek geöffnet hat, hatte man Thekendienst. Man hat also entweder beraten, man hat Medien gesucht, man ist zu den Regalen hingegangen, hat Medien rausgesucht für Bestellungen oder man hat Medien entgegengenommen, sie eingebucht, schönen Tag gewünscht, viel Spaß. Das ist, sozusagen, die eine Hälfte des Tages, die andere Hälfte konnte man sich selbst aussuchen. Es gab viele Abteilungen, einmal die Abteilung, die Medien einbucht, damit sie überhaupt ausleihbar sind oder Medien kauft. Und dann gibt es zum Beispiel die Öffentlichkeitsarbeit, da habe ich den halben Tag dann verbracht. Es gab aber auch eine IT-Abteilung, die für den gesamten Bezirk die IT gemanagt hat, weil es sehr viele PCs gab. Jeder Arbeitsplatz hat einen PC, es muss auch alles gemanagt werden. Da war ich tatsächlich nicht drin, sondern ich habe mich für die Öffentlichkeitsarbeit entschieden.

Stefanie

Weil das damals für dich noch kein Thema war und nocht nicht interessant?

Anja

Das war mir zu technisch.

Stefanie

Zu technisch, rückblickend eine komische Aussage, oder?

Anja

Ja, rückblickend ist es das immer noch nicht. Es ist immer noch kein Feld meiner Expertise. Ich kenne mich jetzt nicht mit Hardware aus oder mit Betriebssystemen, von daher schon eine gute Entscheidung. Also, ich weiß jetzt nicht, ob es eine gute Entscheidung war, da ich nicht da war, aber ich würde sie heute wahrscheinlich noch mal so treffen.

Stefanie

Der Schwerpunkt war schon anders, also die Computer am Laufen halten, im Grunde genommen. Kommen wir mal kurz zurück auf deine Schulzeit. Als du vor der Entscheidung standest: Okay was mache ich jetzt beruflich? Welche Ausbildung gehe ich an? Was soll ich studieren? War Softwareentwicklung oder IT da überhaupt ein Thema? Hattest du das irgendwie auf dem Radar?

Anja

Ja, war auf dem Radar. Ich hatte glaube ich, ein halbes Jahr Informatikunterricht, aber das war eigentlich nur: Wie bootet man das und wie schreibt man in Word und das war’s. Es war eigentlich nichts wirklich was mit Programmierung zu tun hatte. Habe ich dementsprechend auch eigentlich nicht als IT oder Informatik wahrgenommen. Das fand ich jetzt auch nicht spannend dort in der Schule, weil ich hatte als Kind schon einen eigenen PC, der ein aktuelles Betriebssystem hatte. Und da habe ich nicht nur Word geschrieben, sondern ich habe eigentlich den ganzen Nachmittag gezockt. Ich war ein Computerspiel begeisterter Mensch, habe mich auch immer dafür interessiert, wie Google funktioniert und habe mir dann den Quellcode von der Google Startseite rauskopiert und wollte auch so eine Suchmaschine bauen. Wusste natürlich nicht, dass das, was im Quellcode steht, überhaupt gar nicht im Internet nach Webseiten sucht. Das wusste ich noch nicht und habe dann mit SELFHTML mir eigene kleine Webseiten gebaut. Ich habe tatsächlich hobbymäßig Webseiten gebaut, auch für Schulaktivitäten habe ich Webseiten gebaut und das war schon ein Hobby für mich, auf jeden Fall.

Stefanie

Aber daraus einen Beruf zu machen, ist dir nicht in den Sinn gekommen?

Anja

Ich wusste nicht, dass man das beruflich machen könnte. Na klar, eigentlich ist es logisch, so eine Suchmaschine Google muss auch eigentlich professionell entwickelt werden. Das kam mir nicht in den Sinn, dass man das beruflich machen kann. Ich weiß nicht warum.

Stefanie

Ich kann mir das so vorstellen, dass man vermutlich keine Vorbilder oder Beispiele hatte in seinem Umfeld. Gab es jemanden, der diesen Weg eingeschlagen hat?

Anja

Nein, mein Vater hatte mal, als er jung war und studiert hatte, auch mal Computer zusammengebaut und auch in Basic programmiert. Aber er macht es nicht beruflich. Deswegen war das für mich auch eher ein Hobby Ding.

Stefanie

Du hast dich dann für den Beruf der Bibliothekarin entschieden und wir hatten das anfangs schon gesagt, bis die Automaten kamen. Was ist denn da passiert mit den Automaten?

Anja

Ja, glücklicherweise entwickeln sich Bibliotheken weiter. Heutzutage kann man auch digital Filme, Musik und E-Books ausleihen. Und nicht nur das kam hinein in die Bibliothek, dass sie erneuert wurde, sondern auch, dass man eigentlich diesen Thekendienst gar nicht mehr braucht. Was ich erzählt hatte, Medien entgegennehmen, einbuchen, schönen Tag und viel Spaß wünschen. Das haben dann auch Automaten gemacht und es gab dann auch Rückgabeautomaten. Man konnte dann einfach Medien, die man fertig gelesen oder geschaut hatte, an Automaten zurückgeben und auch mit Automaten ausleihen. Und das hat auch dazu geführt, dass man weniger Personal brauchte. Und wie macht man das im öffentlichen Dienst? Man sortiert erst mal die aus, die frisch aus der Ausbildung kamen. Das war bei mir auch so. Man hat mir gleich gesagt, wir werden dich nur für ein Jahr übernehmen und danach müssen wir mal schauen, aber wahrscheinlich wirst du dann nicht mehr weiter bei uns beschäftigt. Aber ich habe tatsächlich noch vier Jahre lang in der Bibliothek samstags gearbeitet, ich hatte also Samstag Dienst und ich war genau die Person, die dann auf die Automaten aufgepasst hat. Ich habe neben den Automaten gesessen und hatte immer einen Blick darauf und immer, wenn es irgendwo Probleme gab, rote Lichter blinkten, war ich diejenige, die dann aufgestanden ist, die die Automaten aufgemacht hat, Dinge gefixt hatte, wenn sich irgendwas verhakt hatte. Oder es gab natürlich auch Leserinnen, die die Automaten nicht wollten, den nicht vertraut haben oder andere Problemchen hatten, die die Automaten nicht lösen konnten. Und diese Personen sind dann an meinen Schreibtisch gegangen. Und dann durfte ich dann auch einmal wieder meinen alten Job machen.

Stefanie

Und du hast deinen Frieden mit den Automaten gemacht.

Anja

Schon, auf jeden Fall. Ich sah auch, dass es eine gute Erfindung ist.

Stefanie

Du warst erst mal ohne Job. Was ist denn dann passiert? Was ist in dieser Übergangsphase passiert? Ist dir dann irgendwie doch die Idee gekommen: Okay, ich mache was mit Informatik? Was hast du dann erst mal gemacht?

Anja

Ja, ich bin tatsächlich selbstständig geworden. Als Freelancerin habe ich so viele Sachen gemacht. Erst mal, ich bin selbstständig geworden, mit einer Förderung vom Staat. Ich konnte mich nicht von vornherein selbst ernähren, habe eine Förderung bekommen. Gründungszuschuss hieß das damals und habe Webseiten für Vereine und Freunde gebaut. Oder ich habe auch in Kleinanzeigen nach Aufträgen gesucht. Es hat gut funktioniert. Es gab immer auch genügend Aufträge für mein Skilllevel. Ich konnte nur statische Webseiten bauen oder Joomla und Drupal Webseiten aufbauen. Das konnte ich und das wurde viel gefragt. Ich habe also neben meiner Selbstständigkeit dann noch samstags in der Bibliothek gearbeitet und hatte genug zum Leben auf jeden Fall.

Stefanie

Aber das heißt, du bist dann wieder quasi zurück zurückgegangen, wo ursprünglich einmal deine Interessen waren.

Anja

Ja, das stimmt. Allerdings wollte ich eigentlich die Selbstständigkeit gar nicht. Es war nur ein Übergang. Ich wollte mich eigentlich anstellen lassen als Softwareentwicklerin. Es hat aber nicht geklappt.

Stefanie

Was meinst du, woran das lag?

Anja

Ich glaube, es lag daran, dass ich keine Zertifikate hatte. Ich habe einfach nur gesagt: Ich kann das und man hat mir nicht geglaubt. Ich wurde sehr selten eingeladen zu Vorstellungsgesprächen und dort, wo ich eingeladen wurde, hatte ich das Gefühl, man hat mich von oben herab betrachtet. Ich muss dazu sagen, ich war da sehr jung. Ich war 20. Ich war sehr jung und noch sehr aufbrausend und enthusiastisch und habe gesagt: Das schaffe ich alles. Das ist dieses Typische, wenn man noch keine so richtige Ahnung hat, dann ist man immer sehr optimistisch. Ich glaube, das hat mir ein wenig die Tour vermiest. Und dann habe ich so lange keinen Job gefunden, dass ich ins Callcenter gegangen bin. Und zwar habe ich dort technischen Support für einen großen Hosting-Anbieter angeboten. Das Gute ist, dass ich da wenigstens auch sehr viel über Technik gelernt habe, über Server, über Shared Hosting. Ich habe was über Datenbanken gelernt, wie man E-Mail-Accounts einrichtet, den DNS Kram, dieses Domain Geraffel. Das habe ich da alles gelernt und da bin ich auch sehr froh darüber. Ich habe die Selbstständigkeit trotzdem noch nebenbei weitergemacht und ich habe auch noch Bibliotheksdienst am Samstag gemacht. Ich hatte drei Jobs.

Stefanie

Wie lang ging diese Phase?

Anja

Zwei Jahre. Ich war zwei Jahre lang im Callcenter. Ich habe da sehr viel gelernt, muss ich sagen. Es hat mir zwar psychisch nicht gutgetan, weil das natürlich eine Akkordarbeit ist, die man da hat. Zum Glück musste ich niemandem etwas verkaufen, sondern konnte helfen. Das war schon mal gut, aber eigentlich wollte ich Informatikerin sein.

Stefanie

Und genau, da wollen wir mal drüber sprechen. Wie ist es dazu gekommen? Du hast dich nämlich dann für ein Studium entschieden. Und zwar hast du Internationale Medieninformatik in Berlin studiert. Wie kam die Idee dazu und die Motivation?

Anja

Die Idee kam tatsächlich von einem Kollegen im Callcenter. Der hat gemeint, er würde sich jetzt für ein Studium bewerben, obwohl er kein Abitur hat. Und hat mich gefragt, wie das denn geht. Ich habe auch kein Abitur. Ich habe eine Ausbildung gemacht. Und dann habe ich mich informiert und ich hätte dann auch studieren dürfen. Internationale Medieninformatik und dann kam ich auf die Idee: Okay, wenn ich studieren kann, dann habe ich einen Zettel, wo darauf steht, dass ich es kann und dann bekomme ich vielleicht einen Job. Natürlich hat mich dazu auch motiviert, dass ich dann BAföG bekommen habe. Hätte ich kein BAföG bekommen, hätte ich es nicht gemacht, ganz ehrlich. Das wäre mir zu viel Stress gewesen, diese ganzen Jobs auszufüllen, damit ich genug Geld habe und dann noch zu studieren, das hätte ich nicht gemacht.

Stefanie

Internationale Medieninformatik. Ich glaube, in Berlin gibt es mehrere Studiengänge Medieninformatik. Ich habe mit der Kollegin Hanna schon einen Podcast aufgenommen und sie hat auch Medieninformatik studiert. Wart ihr Kommilitoninnen?

Anja

Nein, leider nicht. Es gibt zwei Universitäten in Berlin, die diesen Studiengang anbieten. Sie hat an der Beuth Universität studiert und da wurde der Informatik Studiengang als Erstes erfunden oder gegründet. Und meine Universität, die HTW Berlin, wollte auch ein Medieninformatikstudium, hätte es aber nicht machen dürfen, weil es schon einen gab in Berlin und hat dann einfach „Internationale Medieninformatik“ draus gemacht. Daran geknüpft war, dass wir einige Seminare in Englisch besuchen mussten und wir mussten ein Auslandspraktikum absolvieren. Das hat sich da unterschieden. .

Stefanie

Warum hast du dich für genau diesen Studiengang entschieden?

Anja

Das ist der Einzige, den ich machen durfte, ohne Abitur zu haben. Es ist nämlich ganz spannend: Warum durfte ich überhaupt Informatik studieren? Ich habe eine Ausbildung gemacht zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. Und da steckt ein bisschen Medieninformatik drin. Und es war wirklich einfach nur der Titel. Ich hatte da Glück, weil eigentlich hatte man in meiner Ausbildung nur ein Jahr lang so etwas Ähnliches wie Informationstechnologie gehabt. Und da war natürlich auch Webseitenbau dabei. Als Bibliotheksassistentin, weil man auch in Öffentlichkeitsarbeit arbeiten kann als Bibliotheksassistentin. Aber das hat schon ausgereicht, um Medieninformatik studieren zu dürfen, mit dieser Ausbildung.

Stefanie

Dann kann man rückblickend auf jeden Fall sagen, dass deine Ausbildung dir die Tür dann doch zu deinem jetzigen Job geöffnet hat. Auch zum Studium.

Anja

Auf jeden Fall. Wenn man es so betrachtet, sehr gute Entscheidung.

Stefanie

Ja, was hattest du denn für eine Vorstellung von dem Studiengang? Was dachtest du, erwartet dich da?

Anja

Oh, meine Erwartungen wurden genau eingehalten. Ich habe mir die Module angeguckt. Mich hat so viel Mathe gestört, sehr dolle, weil ich absolut kein Mathe konnte. Ich hatte immer 4er oder 5er in Mathe. Mathe lag mir nie und da waren dann inklusive Masterstudium drei Semester Mathe drin. Da hatte ich Angst vor. Ich hatte auch Angst vor dem Auslandspraktikum. Ich hatte keine andere Wahl. Es war, entweder ich mache es oder ich mache es nicht. Also habe ich es gemacht und es lief auch alles genauso, wie ich erwartet hatte, wie es im Modulplan stand. Und zwar ist es so, bei der Medieninformatik lernt man nicht nur generell, wie Informatik funktioniert, wie Computer funktionieren, sondern auch, wie man zum Beispiel Photoshop nachprogrammieren kann. Bildbearbeitung, Bildverarbeitung und wenn man möchte auch Tonverarbeitung. Das lernt man alles im Medieninformatikstudium.

Stefanie

Das ist dann der Medien-Teil?

Anja

Ja genau. Das hört sich komisch an, was mit Medien zu tun hat. Wir können sozusagen Medien programmieren und es wurde alles eingehalten. Und ich habe Mathe natürlich sehr oft wiederholen müssen, aber ich habe es hingekriegt.

Stefanie

Du hast dich durchgebissen. Wie war denn die Atmosphäre im Studium? War das ein diverses Umfeld oder fühltest du dich da recht alleine? Wie hast du das wahrgenommen?

Anja

Ich habe darin gar kein Problem gesehen, weil es war wirklich sehr divers. Es waren tatsächlich 50% gefühlt weibliche Studierende und 50% männliche Studierende gefühlt. Es war komplett gemischt. Auch vom Alter her waren es 18jährige, manche 17jährige auch bis zu 35 jährige, waren alles dabei. Und ich war auch schon ein bisschen älter. Ich war schon 23. Da war man schon einer der Älteren.

Stefanie

Von den Professoren oder von den Leuten, die gelehrt haben. War das sehr unterstützend, oder was hast du da für Erfahrungen gemacht?

Anja

Ich glaube, das unterscheidet sich zu keinem Studiengang. Eine Sache, die mir auf jeden Fall noch im Sinn geblieben ist und die mich auch selbst geflasht hat, war, dass mich sogar männliche Studierende um Hilfe gebeten haben, zu manchen Dingen. So wahllos gefühlt, obwohl sie mich gar nicht kannten, sondern weil ich einfach nur neben denen oder vor denen saß. Und das hat mich total geflasht, weil ich dachte: Krass, der fragt mich, ich bin doch aber eine Frau. Und daran merkt man, ich hatte doch ein bias. Ich hatte ein bias, dass Frauen doch nicht so gut sind wie Männer in Informatik oder generell in allen Dingen. Und da habe ich gesehen: Ich bin auch sexistisch in dem Sinne, weil ich von mir nicht erwartet hätte, dass ich einem männlichen Studierenden helfen könnte. Aber es hat mich immer wieder gefreut und daraus habe ich auch immer wieder Motivation gezogen.

Stefanie

Das kann ich mir gut vorstellen. Es gibt in Berlin auch diesen reinen Frauenstudiengang. Mir ist gerade der Name entfallen, Informatikwirtschaft? Ich kann das Frauen nicht verübeln, dass sie dann sagen: Okay, ich will dann wirklich nur unter Frauen studieren, damit wir unter uns sind.

Anja

Diesen Studiengang gab es in der HTW Berlin auch. Das war sozusagen der Parallelstudiengang, den habe ich auch mitbekommen.

Stefanie

Während des Studiums, wo hast du da deine Schwerpunkte gelegt?

Anja

Mein Schwerpunkt war Web Technology. Es gibt aber leider sehr wenig Kurse darin, das heißt, man musste wirklich kämpfen, dass man dann diese Spezialisierung in Web Technology dann auch auf dem Zeugnis hat. Zum Glück gab es aber auch Module, in denen man frei entscheiden konnte, welches Thema man bearbeiten möchte. Und dann hatte ich auch schon Bezug zu Web Technology, aber auch sehr viel Infrastruktur drin, weil mich das Thema mehr interessiert hat. So habe ich also noch ein bisschen meine Themen rein gezwungen. Es war natürlich schwierig, da Professoren zu finden, die sich damit auskennen, damit sie mich bewerten können. Aber es hat funktioniert. Auch wenn sie sich nicht damit auskannten, haben sie mich bewertet.

Stefanie

Und Infrastruktur hat dich damals schon interessiert?

Anja

Ja genau. Ich habe neben oder bzw. während des Studiums gearbeitet im Softwareunternehmen. Und das ist auch ganz spannend, ich wurde erst im Softwareunternehmen angenommen, nachdem ich diese Immatrikulationsbescheinigung in der Tasche hatte. Du weißt, ich habe eigentlich studiert, damit ich irgendwann mal erst mal angenommen werde, als Informatikerin zu arbeiten. Und ich habe mich natürlich weiter beworben, als ich das Studium angefangen habe. Und sofort, als ich diese Immatrikulation in der Tasche hatte, haben mich auf einmal die Unternehmen zurückgerufen, haben mich auf einmal eingeladen zu Vorstellungsgesprächen. Das hat mich geflasht. Ich habe doch noch gar nichts. Warum auf einmal?

Stefanie

Das war dann schon so eine Art Zertifikat, wo draufsteht, okay, der kannst du jetzt vertrauen, die kann was.

Anja

Ja, komischerweise, wo man noch nichts geleistet hat,

Stefanie

Da ist man schon ein Level hoch gerutscht. Und das ist schon mal ein gutes Stichwort. Du hast während des Studiums schon gearbeitet und konntest da auch noch weiter an deinen Schwerpunktthemen arbeiten, oder beziehungsweise, du hast dort dann auch rausgefunden, was tatsächlich deine Steckenpferde sind. Wie waren deine ersten Erfahrungen im ersten Job mit Immatrikulationsbescheinigung?

Anja

Es war ein Start-up. Es waren zwei Personen, die gerne Software weiterentwickeln wollten, die sie gekauft hatten, von einem anderen Unternehmen. Und ich war die erste Mitarbeiterin und sie brauchten jemanden, der mitentwickelt und auch noch andere Tätigkeiten macht. Ich war die Person für alle Kleinigkeiten, die nichts mit Unternehmensführung zu tun hatten. Ich hatte Support-Anrufe entgegengenommen, das hatte ich auch vorher schon gemacht, im Callcenter, es waren auch technische Anfragen, wie man die Software nutzt. Dann habe ich Handbücher geschrieben. Ich habe Migrationen gemacht, dass die Daten in die neue Software übertragen werden, von der alten Software in die neue Software. Und so bin ich in dem Unternehmen groß geworden. Ich habe da viereinhalb Jahre gearbeitet und habe gesehen, wie das Unternehmen von einer Mitarbeiterin, also von mir, zu 50 Mitarbeitern gekommen ist und war die ganze Zeit sozusagen dabei und habe dieses Start-up mit begleitet, wie es groß wurde. Das war ganz schön.

Stefanie

Ganz genau, das kann ich mir vorstellen. Da wolltest du wahrscheinlich auch vorankommen und dich weiterentwickeln. Inhaltlich, aber auch vielleicht was die Position angeht.

Anja

Genau, aber das Problem ist, dadurch dass man die erste Mitarbeiterin dort war. Es ist so, dass man auch immer nur danach bemessen wird, wie man die Person kennengelernt hat. Als ich angekommen bin, war da der CTO und CEO. Die haben sich also genauso genannt. Einer der Gründer hat sich eher um das Technische gekümmert. Einer der Gründer hat sich eher so um die Akquise gekümmert und die beiden kannten mich als gerade mal Anfängerin in Informatik. Ist auch so. Ich habe nur statische Webseiten programmiert. Ich war eigentlich Anfängerin. Ich will jetzt nicht sagen, dass alle Person, die statische Webseiten bauen, Anfängerinnen sind. Aber ich war auf jeden Fall Anfängerin. Meine Kenntnisse in der Programmiersprache, die verwendet wurde, waren auch noch gar nicht da, muss man sagen. Und das haben sie auch gesehen und haben gesagt: Okay Anja, dann machst du weniger Entwicklungen, sondern kümmerst dich um alles andere. Für die Entwicklung suchen wir andere Personen und das ging dann so weiter. Irgendwann wurde eine Entwicklungsabteilung aufgebaut und ich wurde immer übergangen, weil der CTO und CEO dachten immer, sie kann noch gar nicht programmieren, aber ich war sehr viele Jahre dort. Sie haben also nicht mitbekommen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich habe Informatik dann studiert, oder ich war im Studium und habe dann diese Programmiersprache dann auch kennengelernt und ich konnte eigentlich programmieren. Aber sie haben mich nicht in die Entwicklungsabteilung reingelassen, weil sie immer noch die Anja von damals im Kopf hatten, die es noch nicht konnte.

Stefanie

Das heißt, die haben dir gar nicht die Chance gegeben, dich auszuprobieren?

Anja

Ja, das stimmt. Obwohl sie es mir versprochen hatten, muss ich sagen. Ich habe nicht locker gelassen. Ich habe immer wieder gesagt: Ich möchte gerne in die Entwicklungsabteilung, wann kann ich das machen? Und dann sind wir dazu gekommen: Nach deinem Auslandspraktikum. Da konnte ich dann auch diese Programmiersprache nutzen. Nach deinem Auslandspraktikum kannst du wechseln. Ich habe dieses Auslandsstudium gemacht. Ich habe dort sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe bewiesen, dass diese Programmiersprache mir leicht fällt. Und dennoch wurde ich am Ende noch immer nicht in die Entwicklungsabteilung aufgenommen. Ich habe dann meine Kolleginnen um Hilfe gebeten, weil die kannten meine Arbeit und ich habe trotzdem schon Skripte gebaut für die Support-Abteilung. Und ich habe eigentlich schon programmiert, nur eben nicht in der Entwicklungsabteilung an der Software gebaut. Und die haben sich dann für mich eingesetzt, dass ich dann tatsächlich in das Entwicklungsteam gehen durfte, tatsächlich unter Protest von CTO und CEO. Aber die wollten, dass Frieden herrscht. Und da war ich dann auf einmal sehr glücklich. Ich war produktiv in der Arbeit und ich wurde auch von meinen Kolleg*innen geschätzt als wertvolles Teammitglied. Ich habe Arbeit geleistet. Klar, als Junior-Entwicklerin, aber ich habe qualitativ gute Arbeit geleistet, hatten sie mir bescheinigt. Ich habe natürlich immer wieder nachgefragt und Code Reviews liefen auch immer sehr gut. Aber das kam alles nicht beim CTO und CEO an.

Stefanie

Das ist vielleicht auch ein guter Ratschlag an andere Menschen, Männer, Frauen da draußen. Wenn ihr im Job neu seid, wenn ihr euch ausprobiert in Dingen, dass, bevor man aufgibt, wenn man einmal schlechtes Feedback bekommt, dass man sich doch Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen, von seinem Netzwerk holt, um die eigene Einschätzung zu reflektieren.

Anja

Auf jeden Fall, das kann ich empfehlen. Ich hatte auch selbst an mir gezweifelt, wegen des Führungsteams. Ich hatte natürlich sehr viel Respekt vor diesem Führungsteam und ich hatte selbst an mir gezweifelt. Okay, wenn die meinen, ich bin noch nicht da, wo ich hin muss. Vielleicht haben sie Recht und nur deswegen habe ich um Hilfe gebeten und um Feedback gefragt. Und dann wurde mir erst gespiegelt: Nein, nein, du hast es drauf, du kannst das. Und auf jeden Fall ist es wichtig, nach Feedback zu fragen und sich nicht einschüchtern zu lassen von Einzelmeinungen.

Stefanie

Genau. Konstruktive Kritik. Das ist das, was man sucht. Und nicht über den Klee loben. Darum geht es gar nicht. Aber sich einmal spiegeln. Wie ist denn das ausgegangen in der Firma? Bist du noch lange dort geblieben? Hat sich die Einstellung deiner Chefs geändert?

Anja

Es hat sich leider nicht geändert. Es gab ein großes Projekt, ein ganz großes Projekt. Wir haben einen großen Kunden bekommen und wir mussten dann Migration schreiben, damit die alten Daten in die neue Software kamen. Und ich habe das alles gewuppt und ich dachte: Wow, das ist das Beste, was ich jemals gemacht habe. Ich habe das richtig gut gemacht und es wurde leider nicht anerkannt. Der Stein rollte dann und dass ich dann tatsächlich das Gefühl hatte: Ich bin hier fehl am Platz. Mir wurde meine Leistung einfach nicht anerkannt, es wurde kein lobendes Wort erwähnt, jeder wurde über den Klee gelobt, nur ich nicht, obwohl ich einen sehr großen Anteil daran hatte. Und das hat gekratzt an mir und auch mein geringes Gehalt hat gekratzt. Das kommt auch noch dazu, dass natürlich die Führungspersönlichkeiten in Gehaltsgesprächen immer wieder gesagt haben: Nein, das ist zu viel. Was erlaubst du dir danach zu fragen? Und dann bin ich tatsächlich gegangen. Ich habe gekündigt. Tatsächlich nur wegen der Führung. Meine Kolleginnen waren super, die besten Kollegen, die man sich vorstellen kann. Ich habe durch sie gelernt, wie man qualitativ hochwertige Software schreibt, noch immer zehre ich daran. Ich habe tatsächlich gekündigt. Das war auch eigentlich ein gutes Timing, weil ich war gerade dabei, meine Masterarbeit zu schreiben und konnte mich dann auf meine Masterarbeit besser konzentrieren. Habe dennoch wieder BAföG beantragt und habe auch noch als Tutorin gearbeitet, an meiner alten Universität. Dann blieb aber trotzdem noch genug Zeit für meine Masterarbeit.

Stefanie

Was heißt das für dich? Du hast dann die Reißleine gezogen und meintest: Okay, ich komme hier nicht weiter. Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, dann bringt mir das nichts und du hast dann selbst gekündigt. Und die nächste berufliche Station war dann schon INNOQ bei dir, richtig?

Anja

Tatsächlich, ich hatte dann als Tutorin gearbeitet, während ich meine Masterarbeit geschrieben hatte und als sie dann fertig war, habe ich natürlich auch den Tutorenjob gekündigt und habe mich bei INNOQ beworben. Ich habe mich nicht nur bei INNOQ beworben, ich habe mich auch bei einer anderen Consultingfirma beworben, aber zu INNOQ hatte ich ein besonderes Verhältnis. Nicht, dass sie mich schon kannten, sondern ich kannte INNOQ schon. Ich habe nämlich schon lange davor, bevor ich mich beworben hatte, Podcasts gehört. Die INNOQ Podcasts, die wir gerade auch bespielen. Und während ich INNOQ Podcasts gehört habe, habe ich mir immer gedacht: Wow, da arbeiten so kompetente und kluge Menschen. Das ist ja der Hammer. Ich habe mich zwar da beworben, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich angenommen wurde. Ich habe es nur gemacht, weil das sollte man nun mal gemacht haben und vielleicht kann man dann lernen, wie man den Bewerbungsprozess durchgeht als Informatikerin. Ich hätte nicht gedacht, dass man mich annimmt, weil ich dachte: Okay, die INNOQ Leute sind so kompetent, da bin ich noch lange nicht. Aber es hat geklappt. Man hat mein Potenzial erkannt, würde ich sagen.

Stefanie

Genau, das kann man auch mal sagen, dass man nicht unbedingt als Senior Consultant einsteigen muss, sondern man hat auch die Chance, sich weiterzuentwickeln. Lass uns noch mal kurz über deine Schwerpunkte sprechen. Vielleicht kannst du dazu noch mal was sagen. Ich habe mir hier Infrastruktur gemerkt, DevOps. Erzähl doch mal, was das so beinhaltet. Dann kommen wir auch zu den Einhörnern.

Anja

Okay, was es so beinhaltet. Ich kann mal ein Beispiel nennen: Ich hatte in diesem Software-Start-up Webentwicklung betrieben und man musste natürlich auch die Software online stellen, deployen, zur Verfügung stellen, damit sie erreichbar ist. Und um das zu machen, muss man ein Deployment durchführen. Und ich hatte eine Heidenangst vor Deployments. Ich wusste nicht, wohin das deployed wird, ich wusste nicht, was auf den Servern für eine Konfiguration läuft. Ich weiß nicht, wie ich sie konfiguriere. Ich war auch im Third Level Support. Das heißt, wenn etwas passiert wäre, wenn da Bugs gewesen wären, und ich hätte sie fixen müssen, kurzfristig. Dann hätte ich Deployments zurückrollen müssen und neu bauen müssen und ich hatte davor riesige Angst, weil ich nicht wusste, wie das geht. Also habe ich mich damit beschäftigt, mit Infrastruktur, ich hatte einfach nur Angst und habe mich dann damit beschäftigt, wie man Server genau konfiguriert, wie man Deployments durchführt. Es kam also einfach nur daher, dass ich es wissen musste.

Stefanie

Quasi ein Thema, wo du erst mal keine Ahnung hattest oder nicht wusstest, wie du es anpacken sollst und was du damit machen sollst. Und um diese Unsicherheit auszuräumen, hast du es quasi attackiert, das Thema.

Anja

Ja, genau richtig. Ich hatte auch gesagt, dass ich im Studium dann diese Infrastrukturthemen dann angegangen bin. Ich hatte mich damit zwar beschäftigt, aber das war alles nur privat. Während der Arbeitszeit durfte ich mich damit nicht beschäftigen. Man ging davon aus, dass ich es schon weiß. Ich durfte auch an der Infrastruktur nicht mitarbeiten, aber ich konnte das, was ich da gelernt hatte, wenigstens im Studium durch Projekte machen und habe es dann lieben gelernt. Ich bin dann auch schnell in die Kubernetes Richtung gerutscht. Wie man Deployments mit Kubernetes macht, das ist der Goldstandard heutzutage. Das wollen alle machen. Jeder ist heiß darauf und habe dann auch meine Master bei zum Thema geschrieben. Ich habe tatsächlich eine Masterarbeit zum Thema geschrieben bzw. ich habe ein CI/CD-System für Webanwendungen geschrieben, für Kubernetes. Und das ist genau das, wovor ich vorher Angst hatte, wie Deployment überhaupt auf Servern geht. Und mit meiner Masterarbeit habe ich bewiesen, wie Kubernetes funktioniert und ich weiß, wie man deployed.

Stefanie

Spannend. Und wie passt das Thema DevOps da rein? Ich weiß, dass es was damit zu tun hat, aber es ist eher ein Thema, was sehr viel mit Kultur und Menschen zu tun hat.

Anja

Ja, das stimmt. Ich hatte mich im Rahmen der Masterarbeit damit beschäftigt, was DevOps ist, weil Infrastruktur und DevOps immer irgendwie in einem Satz benannt werden, aber das gar nicht so genau stimmt. Das habe ich dann erst gelernt. DevOps ist im Grunde eine Art und Weise, Software zu entwickeln und zu deployen, das heißt, kontinuierlich Änderungen zu deployen. Und am besten hat man dann eine automatisierte Deployment-Pipeline und da ist so ein bisschen der Connect. Aber eigentlich geht es um Methoden und um Kultur und um das Zusammenarbeiten von Teams und von Entwicklungsmenschen.

Stefanie Jetzt klär doch mal auf, was das mit Einhörnern zu tun hat.

Anja

Ja, genau. Und zwar ist es so, dass es sehr viele Artikel im Internet gibt, die behaupten, dass es DevOps Engineers gibt, also Einzelpersonen, die DevOps machen. Es sind sozusagen Einhörner, die entwickeln Software und können dann auch die Infrastruktur konfigurieren und deployen.

Stefanie Die eierlegende Wollmilchsau.

Anja

Ja genau. Und aber diese eierlegende Wollmilchsau oder diese Unicorns gibt es gar nicht, weil es gibt gar nicht den Beruf des DevOps Engineers, sondern DevOps kann nur von Entwicklungsteams oder von einer Organisation ausgeführt werden, weil es nur Methoden sind und weil es nur eine Kultur ist. Eigentlich gibt es also DevOps getriebene Teams oder DevOps getriebene Entwicklungsteams. Aber es gibt niemals einen DevOps Entwickler oder DevOps Ingenieur.

Stefanie

Ein sehr kulturelles Thema. Du bist auch als Trainerin aktiv. Und zwar, wenn jemand von euch eine Ausbildung zur Software Architektur machen will, nach ISAQB und das über die „socreatory“ zum Beispiel macht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man bei einem Modul auf dich trifft. Welches Modul ist denn das?

Anja

Ich habe es anfangs erwähnt, das ist das Cloud Infra Advanced Modul, da geht es um Cloud Infrastruktur. Kurz zum Inhalt. Da geht es darum, welche Services bieten Cloud Provider an? Wie kann man sich eine eigene Cloud bauen? Wie funktionieren denn solche Container Management Systeme wie zum Beispiel Kubernetes unter der Haube? Als Beispiel nehmen wir natürlich Kubernetes, aber es wird alles sehr allgemein gemappt, auch auf andere Management-Systeme. Und dann lernt man, wie man Software in die Cloud deployen kann.

Stefanie

Was macht dir daran Spaß? Nicht nur Wissen anzueignen, sondern auch Wissen zu vermitteln?

Anja

Das Wissen vermitteln habe ich auch schon ein bisschen im Studium gelernt, ich war Tutorin. Ich weiß nicht, warum mir das gefällt. Ich mag es einfach, Menschen zu helfen und das Klicken zu sehen in den Augen. Aber eigentlich mag ich das Rampenlicht gar nicht. Ich mache Vorträge, Podcasts, diese Trainings. Ich mag eigentlich nicht in der Öffentlichkeit stehen oder sichtbar sein. Der einzige Grund, warum ich das neben „Ich möchte Wissen vermitteln“ ist, dass ich mich selbst herausfordern möchte, diese Themen in der Tiefe zu lernen. Wie es damals bei der Infrastruktur auch war. Ich hatte Angst davor. Ich habe mich herausgefordert, indem ich in der Universität diese Projekte angenommen habe oder mir überlegt habe für Infrastruktur. Und genauso ist es jetzt mit Trainings und Vorträgen, dass ich das selbst als Herausforderung sehe, damit ich mehr lerne. Ansonsten bin ich viel zu faul. Wenn es keinen Grund gibt, etwas zu lernen, würde ich es nicht tun.

Stefanie

Das finde ich übrigens auch ganz interessant. Ich hatte das letztens bei uns in unserer Slack Kommunikation gesehen. Du hast dich auf einen Vortrag vorbereitet, du hast einen Vortrag entwickelt und hast ihn dann einmal vor Kollegen zur Probe gehalten, einfach um dir Feedback zu holen und um auch das Bestmögliche herauszuholen aus deinem Vortrag. Das ist auch so ein zweischneidiges Schwert. Einmal Feedback einholen, Obacht vor der Kritik, die da kommen würde, aber wahrscheinlich schon vielleicht so ein paar Sachen ausmerzen, die einem dann, wenn es soweit ist, dann gespiegelt worden wären.

Anja

Ja genau, das stimmt und es hat auch super funktioniert. Meine INNOQ Kollegys, es waren acht oder zehn Leute da, die sich den Vortrag angehört haben. Die haben nicht gespart mit Kritik und ich liebe so etwas. Das Schlimmste ist, wenn man nach Kritik fragt und dann kommt nichts, sondern nur: Das war gut. Das bringt nichts. Also ja, das ist nett, aber es bringt demjenigen nichts. Ich möchte auch allen vorschlagen, fordert Kritik ein, fordert gerne auch harsche Kritik ein. Das ist sehr wichtig, denn es hat den Vortrag viel besser gemacht und der lief am Ende dann auf der Konferenz sehr gut. Und der hat auch wirklich von dieser Kritik profitiert, die da kam.

Stefanie

Keine Angst vor Feedback.

Anja

Man kann nur besser werden dadurch.

Stefanie

Genau. Du hast dir bei INNOQ intern auch zwei Mentorinnen gesucht, die du regelmäßig auch aktiv in Anspruch nimmst, um dich weiterzuentwickeln. Was für ein Stellenwert hat das denn? Und was mentoren die denn da so?

Anja

Ich habe mir fachliches Mentoring gesucht. Das heißt, eine Person, die sich mit denselben Themen beschäftigt, mit denen ich mich beschäftigen möchte oder tue. Es ist so gewesen, dass wir zum Beispiel gemeinsam einen Vortrag halten wollten und wir haben wieder diesen Vortrag als Arschtritt genommen, uns mit einem Thema zu beschäftigen, haben das mit dem fachlichen Mentoring verwoben. Ich habe viele Dinge gelernt, die dieser Mentor schon wusste und ich nicht. Und wir haben uns darüber ausgetauscht, welche Erfahrungen er in der Praxis gemacht hat mit dem Thema. Und ich habe da sehr viel aus der Praxis mitnehmen dürfen und gelernt. Ich habe eine Latte an Buchvorschlägen bekommen, die ich noch immer nicht abgearbeitet habe. Aber das hat mir sehr viel geholfen, auch Themen in Kontext zu setzen und auch zu relativieren. Das, was man in Büchern liest, auch zu relativieren, indem man es mit der Praxis abgleicht. So viel Praxiserfahrung hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und ich brauchte jemanden, der schon jahrelang mit diesen Themen in der Praxis umgegangen ist, in Projekten mit diesen Themen umgegangen ist und die Fallstricke kennt. Und so konnte ich davon profitieren. Und dann habe ich mir noch eine Mentorin gesucht für meine berufliche Weiterentwicklung. Diese Kollegin ist mir aufgefallen, weil sie sehr professionell und trotzdem sehr herzlich wirkte und sehr erfolgreich in ihrem Beruf. Und dann habe ich gefragt: Hey, wie es aus? Hast du Lust, mir da beruflich weiterzuhelfen? Wir machen das eher, man merkt nicht wirklich, dass es ein Mentoring ist, weil man eigentlich nur über Dinge redet, aber man merkt dann schon, dass sie mir dann Hilfe geben kann und sagt: Schau mal, diesen Skill, den du da hast, den könntest du doch auch bei INNOQ einbringen. Oder: Schau mal, INNOQ braucht folgende Hilfe oder braucht in diesem Bereich noch jemanden. Könntest du dir vorstellen, das zu machen? Und so kann man gut reflektieren. Welche Skills hat man oder könnte man aufbauen, die in der beruflichen Entwicklung weiterführen oder die INNOQ weiterführt?

Stefanie

Und ich kann mir auch vorstellen, dass es dabei hilft, wenn man sich vielleicht nicht ganz sicher ist, traue ich mir das jetzt zu oder nicht? Und wenn da jemand ist, der sagt: Ja, auf jeden Fall. Mach das so. Dass das noch mal dieser Schubs ist, dieser extra Schubs, den man vielleicht braucht in dem Moment.

Anja

Das stimmt. Man muss dazu sagen, bei INNOQ gibt es so etwas nicht wie Mentoring. Also, doch wir haben etwas Kleines. Wenn jemand neu bei INNOQ anfängt, dann gibt es einen Kulturmentoring. Das heißt, es wird Dir ein Kollegy zur Seite gestellt und diese Person hilft dann dabei anzukommen, erklärt, wie die Prozesse funktionieren. Wie man sich das vorstellt, anzukommen bei INNOQ. Aber fachliches Mentoring oder Mentoring für berufliche Entwicklung gibt es nicht. Das habe ich mir selbst gesucht, weil ich tatsächlich erst bei INNOQ auf die Idee kam, dass das für mich sinnvoll ist. Das hat vielleicht auch was damit zu tun, generell mit der eigenen Reife. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich: Okay, um jetzt beruflich weiterzukommen, um fachlich weiterzukommen, brauche ich jemanden, der mir in den Arsch tritt.

Stefanie

Ich denke, es steht jedem frei, sich einen Mentor oder eine Mentorin zu suchen. Wir nennen das O3 Gespräche. Man wird schon ermutigt, das so zu tun, aber man muss sich diese Mentoren natürlich selbst suchen.

Anja

Stimmt genau. Es gibt diese O3 Gespräche und die funktionieren dann so, wie ich das in meinem Mentoring für berufliche Entwicklung mache. Das ist eher so ein Gespräch für beide Seiten. Es gibt da keinen expliziten Mentoren, Mentee, sondern das ist eine beiderseitige Sache. Stimmt, du hast recht.

Stefanie

Genau. Okay, super spannender Werdegang, du bist jetzt schon drei Jahre bei INNOQ. Wahnsinn. Ich bin jetzt seit über einem Jahr dabei. Voll spannender Werdegang. Aus deiner Erfahrung, was würdest du denn Mädchen oder Frauen da draußen oder auch Jungs draußen, die vor so einer Berufsentscheidung stehen oder vielleicht auch gerade so am Anfang ihrer beruflichen Karriere sind und sich unsicher sind, ob sie einen guten Job machen. Was würdest du denen raten?

Anja

Was mir immer sehr gut geholfen hat, ist nach Feedback zu fragen. Das hatten wir schon gesagt, gerne auch negatives Feedback, am besten negatives Feedback. Wichtig ist, die Stärken daraus zu erkennen. Manchmal erkennt man sie erst, nachdem man nach Feedback gefragt hat. Wenn man nach Feedback fragt, kann man auch Selbstvertrauen entwickeln. Ich habe das Gefühl, mein Selbstvertrauen rührt nur durch dieses Feedback, weil ich dann weiß: Okay, das kann nicht, das kann ich nicht. Aber ich weiß wenigstens, was ich kann und was nicht. Zumindest habe ich das Gefühl, es gespiegelt zu bekommen. Ein weiterer Tipp ist auf jeden Fall, wenn man das Gefühl hat, man braucht Hilfe oder man bleibt irgendwo stecken, nach Mentoring zu fragen. Vielleicht auch auf Personen zuzugehen, zu sagen, so habe ich es auch gemacht. Hey, ich suche mir ein Mentoring und ich würde gerne mit dir Mentoring machen, weil, also warum man diese Person aussucht. Du hast so viel Erfahrung in der Praxis oder du bist so eine erfolgreiche Person beruflich. Ich würde gerne mit dir darüber reden, wie ich das auch kann und keiner wird sagen: Oh Gott, warum fragst du mich das? Das ist ja total doof. Das wird keiner sagen. Entweder die Person fühlt sich geschmeichelt und sagt: Nein, das möchte ich lieber nicht, oder die Person sagt: Ja. Das ist alles nur von Vorteil.

Stefanie

Das klingt nach einem super guten Ratschlag. Wenn man nur in seinem eigenen Süppchen vor sich hin kocht, dann kann man sich auch nicht weiterentwickeln. Und man darf auch keine Angst vor Feedback haben. Im Endeffekt bringt es einen meistens weiter. Ja, cool. Vielen Dank für das Gespräch, Anja. Ich fand das sehr inspirierend und ich hoffe, es hat dir auch Spaß gemacht. Vor allem hoffe ich natürlich, dass es den Zuhörerinnen und Zuhörern Spaß gemacht hat. Wenn ihr uns Feedback hinterlassen wollt, wenn ihr Fragen habt, schreibt eine E-Mail an [email protected] und ansonsten würden wir uns jetzt verabschieden. Tschüss und bis zum nächsten Mal.

Anja

Ciao. Bis zum nächsten Mal.