Was ist in einer Welt von agentischen KI-Systemen überhaupt noch etwas wert? Das ist die Frage, die sich alle Berufe stellen müssen, deren Kompetenzen von KI angekratzt werden – und das sind eine ganze Menge. Gleichzeitig interessiert uns, welche Chancen sich mit diesen Systemen eröffnen.
Wir sind kein langbeiniges Federvieh und stecken den Kopf nicht in den Sand. Wir wollen uns außerdem nicht von den Hypes atemlos von einem Eck zum anderen jagen lassen, sondern strategisch denken.
Strategie gegen Verzweiflung
Strategie ist anstrengend, weil man die Zukunft vorausahnen muss. Beginnen wir also damit. Wir entwerfen ein Zukunftsszenario, das wir für möglich halten. Streng genommen müssten wir mehrere alternative Szenarien entwerfen. Da man aber irgendwo anfangen muss, wählen wir zunächst eines, das heute als Ziel von der KI-Industrie propagiert wird.
Unser Ausblick erstreckt sich auf etwa fünf Jahre. Unsere Herangehensweise ist positiv und chancenorientiert. Die prominentesten Risiken wie Jobverdrängung, ethische Problematiken durch Voreingenommenheit (Bias) in Algorithmen und bei Entscheidungen, Konflikte mit Datenschutz und Compliance, sowie zu starke Abhängigkeit nicht kontrollierbarer KI sind bekannt und vielfach thematisiert worden. Wir befassen uns auch nicht mit Post Labor Economics (das Fass ist zu groß), sondern konzentrieren uns auf den Mikrokosmos eines Unternehmens.
Wir formulieren im folgenden Hypothesen, die uns helfen, aktuelle Entwicklungen einzuordnen und Strategien zu entwerfen. Wir leiten daraus später die zu lösenden Aufgaben ab, noch ohne die Wege festzulegen.
KI ist günstig, leicht zugänglich und allgegenwärtig
Diese Hypothese bildet die Grundlage für alles. KI wird erfolgreich sein, wenn sie kein Geheimwissen bleibt und überall einsickern kann, weil die Zugangshürde niedrig ist. Diese Entwicklung ist bereits heute erkennbar und wird sich fortsetzen.
KI verändert die Welt nicht mit einem großen Schlag, sondern wirkt gleichzeitig an vielen Stellen schrittweise. So wie die Google-Suche das Konzept der Datensuche revolutioniert hat, werden breit verfügbare KI-Assistenten grundlegend beeinflussen, wie wir künftig Systeme bedienen wollen.
Wissen und Expertise sind demokratisiert (commodity)
Wissen und Expertise wird weniger ein Alleinstellungsmerkmal sein als heute. Wer hätte vor vier Jahren geahnt, was für praktische und universelle Assistenten wir heute in der Hosentasche haben? Ich lasse immer zuerst ein Deep Research zu einem Thema laufen, das neu für mich ist und mit dem ich mich beschäftigen möchte. Innerhalb von zehn Minuten erhalte ich Ergebnisse, für die ich früher Tage der Recherche gebraucht hätte. Für mich fühlt sich das bereits selbstverständlich an, obwohl diese Möglichkeiten nur wenige Monate alt sind. Durch den leichten Zugang nehmen sie sofort ihren Platz ein.
Menschliche Intelligenz wird anders eingesetzt
Diese Hypothese folgt unmittelbar aus der vorangegangenen. Wenn man Menschen nicht mehr so oft nach ihrem Wissen fragen braucht, und ihre Expertise seltener verlangt wird, was tun sie dann den ganzen Tag? Hier gibt es noch die wenigsten Antworten. Welchen Wert wird menschliche Intelligenz in Zukunft haben? Diese philosophische Frage ist so alt wie die Idee von KI selbst. Wir befassen uns lieber aus praktischer Sicht damit, wo wir “humans-in-the-loop” brauchen, um das beste Gesamtergebnis zu erzielen.
Effizienz ist selbstverständlich
Wenn KI allen zur Verfügung steht und das Wissen, wie man sie einsetzt, frei verfügbar ist, dann sind hier keine Alleinstellungsmerkmale zu finden. Es ist einfach selbstverständlich. Wir alle kennen aus der Vergangenheit viele Beispiele für Technologie, die sich schnell durchgesetzt hat. Alle verwenden sie, niemand hat einen Wettbewerbsvorteil. Gesteigerte Effizienz bedeutet einen Gewinn an Ressourcen, die anderweitig eingesetzt werden können. Hier wird es dann interessant. Wie können wir diesen gewonnenen Freiraum gewinnbringend nutzen?
KI für skalierbare Aufgaben – Menschen für das Sinnstiftende
KI schuftet und arbeitet 24/7. Menschen sorgen dafür, dass alles einen Sinn ergibt und seinen richtigen Platz hat in der Welt. Menschen sind verantwortlich für die Arbeit der KI und entscheiden darüber, was gut oder schlecht ist. Menschen lenken, gestalten, hinterfragen und kümmern sich umeinander. KIs bauen und produzieren.
Es gibt hier bestimmt extremere, dystopische Standpunkte, welche Menschen als komplett überflüssig betrachten. Für unseren eingangs gewählten Zeitraum erwarten wir, dass Menschen nach wie vor gebraucht werden.
Empathie und menschliche Nähe sind Werttreiber
Der human touch, das Erlebnis mit echten Menschen in Kontakt zu treten, wird wertvoll sein und kann den entscheidenden Unterschied machen. Herauszufinden, wo diese Stellen in einem Prozess sind, ist eine Herausforderung. Die Hypothese ist nicht so selbstverständlich wie sie scheint. KI hat in Experimenten bereits Menschen überholt (Umfrage, Israelische Studie).
Wir können auch davon ausgehen, dass es viele Menschen geben wird, die nicht mit KI klarkommen, weil die Illusion, einen Menschen vor sich zu haben, nicht perfekt ist – und auch nicht sein muss. Sie auszuschließen, wäre ein großer Fehler.
Hybride Wertschöpfung – 100% Automation ist nicht optimal
Die nichtdeterministische Natur der KI-Systeme wird bleiben. Es wird Aufgaben geben, die durch eine KI nicht mit der gewünschten Qualität gelöst werden. Menschen könnten sich um besondere Situationen kümmern, die z.B. intensivere menschliche Interaktion erfordern. Auch die Beobachtung der Arbeit der KI wird ganz ohne Menschen nicht funktionieren. Menschen werden außerdem kreativ die gewonnenen Daten aus den agentischen Systemen verwenden, um Produkte zu verbessern und neue zu gestalten.
Proprietäre Daten sind das wertvollste Gut
Fassen wir alles oben Geschriebene zusammen, wird der immense Wert der exklusiv im Besitz eines Unternehmens befindlichen Daten deutlich. Dass Daten wertvoll sind, ist keine neue Erkenntnis. Die agentischen Systeme verstärken diese Tatsache noch. Das Versprechen der Agenten, etwas Sinnvolles mit Daten tun zu können, dessen genaue Art wir noch gar nicht kennen, ist so bedeutend, dass ein eigener Blogpost sich damit beschäftigen wird.
Kreativität und Anpassungsfähigkeit sind eine Kernkompetenz
Daten spiegeln das Weltgeschehen wider. Die große Kunst wird sein, aus den wertvollen Daten schnell und zielgenau neue Erkenntnisse und Produkte zu gewinnen. Die Zeit von der Idee zur Realisierung wird erheblich kürzer sein als heute. Die Allgegenwart und Zugänglichkeit von KI-Agenten wird völlig neue Entwicklungsstrategien eröffnen. Nur wer schnell und kreativ auf neue Daten reagieren kann, wird einen Vorsprung haben. Gestaltungsfähigkeit und Gestaltungswille sind Alleinstellungsmerkmale.
Prinzipiell ist das alles nichts Neues. Data is the new oil, Sie kennen das. Es wird wieder einmal alles beschleunigt und die Wege sind neu.
Fazit
Als IT-Beratungsunternehmen schauen wir besonders genau auf den Softwareentwicklungsprozess, der ganz genauso in die vorgestellten Hypothesen einzuordnen ist. Wir werden uns noch damit beschäftigen, wie die neuen KI-Systeme ein anderes Mindset von uns verlangen, um sie erfolgreich einzusetzen. Vom Entwurf bis zum Betrieb sind alle Schritte betroffen.
Probieren Sie die Hypothesen doch mal aus – in Diskussionen oder mit den Nachrichten, die täglich auf Sie einprasseln. Auf welche Hypothesen zahlen die Dinge ein, die Ihnen präsentiert werden?
Im nächsten Blogpost beleuchten wir das Versprechen der Agenten. Was ist das große Wertversprechen der agentischen KI-Systeme?