Dieser Artikel ist Teil einer Reihe.
- Teil 1: Digitale Souveränität – Ein Definitionsversuch (dieser Artikel)
- Teil 2: CIO-Fragestellungen zur digitalen Souveränität
- Teil 3: Digitale Souveränität: Warum die Architektur zählt und wie Sie Ihr Unternehmen resilient machen
Der Duden unterscheidet bereits drei Varianten von Souveränität. In der Vergangenheit dominierten sicherlich die ersten beiden Varianten, nämlich die staatliche Souveränität einerseits als Ausdruck der höchsten Gewalt innerhalb eines Nationalstaats und andererseits als Beschreibung der Unabhängigkeit von anderen Staaten. Eine weitere Bedeutung, die der Duden nennt, ist die Interpretation als Überlegenheit oder Sicherheit. Diese Variante ist im Alltag eher selten gebraucht, auch wenn sie dem Ursprung des Wortes entspricht.
Häufiger anzutreffen ist die Zuschreibung von Souveränität – im Sinne souverän zu sein – wenn eine Person ein schwieriges Problem mit scheinbarer Leichtigkeit und ohne Hilfestellung löst. In der Rechtswissenschaft wird Souveränität im Sinne von Selbstbestimmung verwendet. Der Gegenstand ist dann ein Rechtssubjekt, also eine natürliche oder juristische Person.
Am ehesten erscheint es plausibel, den Begriff Digitale Souveränität als eine Teilmenge der Technologiesouveränität einzuordnen. Dieser Begriff kam vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und der darauf folgenden Chip-Krise in den Sprachgebrauch. Die Grundidee ist, dass ein Staat über alle relevanten Technologien verfügt, um im Fall einer Krise unabhängig von anderen Staaten zu sein. Die Möglichkeit, diese Technologiesouveränität zu erreichen, wird seit Beginn der 2020er Jahre intensiv diskutiert und ist teilweise umstritten.
Abgeleitet von der Idee der Technologiesouveränität könnte Digitale Souveränität meinen, dass ein Staat im Falle einer Krise nicht auf digitale Technologien anderer Staaten angewiesen sein soll. Für Staaten ist das im doppelten Sinne relevant: Da seit den 1980er Jahren starke Bestrebungen zur Überführung von staatlichen Leistungen in die Privatwirtschaft unternommen wurden, ist ein Staat im Fall der Krise möglicherweise nicht nur von anderen Staaten, sondern auch noch von Unternehmen abhängig, die entsprechend der eingangs erwähnten rechtlichen Souveränität für den Staat nur eingeschränkt einsehbar sind.
Übertragen auf Unternehmen führt die Herleitung von Technologiesouveränität vor allem zum Konzept der Handlungsfähigkeit. Im Fall einer Krise, etwa dem Ausfall eines Dienstleisters, will ein Unternehmen natürlich handlungsfähig bleiben. Das bedeutet in der Praxis nichts anderes als einen Trade-off einzugehen und bestimmte Technologien selbst zu besitzen und über die Fähigkeiten zu verfügen, mit diesen Technologien zu arbeiten und sie zu warten.
Dass dieser Art von Digitaler Souveränität Grenzen gesetzt sind, ist offensichtlich: Allein die Notwendigkeit einer Internetverbindung für viele Prozesse führt heute dazu, dass es für kein Unternehmen möglich sein wird, eine absolute Digitale Souveränität zu erreichen. Handlungsfähig zu bleiben, wenn sich rechtliche Rahmenbedingungen zwischen Staaten plötzlich ändern, ist aber durchaus erstrebenswert. Wie weit Digitale Souveränität reichen sollte, ist etwas, das jedes Unternehmen für sich definieren muss. Der Begriff Digitale Souveränität macht darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, dass Unternehmen diese Entscheidung bewusst selbst treffen.